Auch das »neue« BAföG liegt unterhalb der Armutsgrenze
Rede vom 12. Mai 2022
Endlich kommt mal Schwung in die BAföG-Debatte. Die Reformen, die mit der 27. Novelle endlich angegangen werden, sind überfällig. Man muss es wirklich noch einmal sagen: Es war ein schweres Versagen der letzten Bundesregierungen, das BAföG nicht schon viel früher angepackt zu haben.
Dieses Versäumnis hat Zehntausende junge Menschen in den letzten Jahren Zeit, Geld, Nerven und Gesundheit gekostet. Viele hat es sogar das Studium oder den Abschluss gekostet – ein unfassbarer Umgang mit Begabungen, Perspektiven und Lebensträumen.
Nun kommen also endlich die Erhöhung der Altersgrenze von 30 auf 45 Jahre, die Erhöhung der Elternfreibeträge, die Erhöhungen bei der Wohnpauschale und den Bedarfssätzen. Nun liegt die Tücke aber natürlich wie immer im Detail. Denn leider wird auch diese Reform an vielen Stellen gar nicht so viel verändern, wie hier vielleicht versprochen wird. Die Bedarfssätze werden auch weiterhin den realen Bedarf nicht decken. Die Erhöhung der Bedarfssätze um 5 Prozent wird durch die Inflationsrate von derzeit mehr als 7 Prozent komplett aufgefressen. Das heißt im Klartext, dass auch das neue BAföG unterhalb der Armutsgrenze und unter Hartz‑IV-Niveau liegen wird.
Was es auch endlich braucht, ist eine automatische Anpassung der BAföG-Sätze an die Inflationsrate, statt wie bisher in völlig willkürlichen Abständen und je nach Stimmungslage in der jeweiligen Koalition die Sätze zu erhöhen, ohne dass systematisch geprüft wird, ob die Summe, die am Ende zur Verfügung steht, den eigentlichen Zweck, die eigentliche Bestimmung des BAföG überhaupt erfüllt. Die eigentliche Bestimmung des BAföG ist, Lebensunterhalt und Ausbildung bedarfsgerecht zu sichern. So steht es in § 11 des BAföG. Das ist der Auftrag des BAföG.
Bei aller Freude über die deutliche Anhebung der Elternfreibeträge muss man zumindest fragen, ob dadurch die Zahl der BAföG-Beziehenden tatsächlich relevant steigen wird. Denn man muss einmal nach den Gründen fragen, warum Studierende, die jetzt schon förderberechtigt sind, die Förderung nicht in Anspruch nehmen. Das liegt meist daran, dass entweder die Fördersummen so gering sind, dass sich der Aufwand gar nicht lohnt, oder – zweiter Grund – weil die jungen Menschen Angst vor Verschuldung haben.
Wir müssen endlich wieder zurück zum Vollzuschuss. Der Darlehensteil muss dringend gestrichen werden. Die Frage, ob man sich für die Ausbildung oder ein Studium verschulden muss, ist zentral beim Abbau von sozialer Ungleichheit. Dieses Leitmotiv – Abbau von sozialer Ungleichheit – muss sich durch die Politik und ganz besonders durch die Bildungspolitik ziehen. Der Staat muss Diskriminierung abbauen und darf keine neuen Hürden aufbauen. Diesem Leitmotiv wird die Ampelregierung leider noch nicht gerecht. Das muss sich dringend ändern.